Face the Time
Viel Zeit zum Kennenlernen gab es nicht, denn Zeit ist ein knappes Gut an jedem Foto-Set. Und doch ist sie elementar für das Kunstprojekt „Face the Time“, das die Schweizer Uhrenmanufaktur Girard-Perregaux gemeinsam mit dem Fotografen Werner Pawlok initiiert hat.
Eine zentrale Herausforderung für Werner Pawlok bestand darin, einen Zugang zu Wesen und Charakter ganz unterschiedlicher und ihm unbekannter Personen herzustellen – von denen die wenigsten je an einem professionellen Shooting teilgenommen haben. Selbst Sabrina Staubitz, Fernsehmoderatorin und ehemaliges Model, fand sich in einer vollkommen neuen Situation: „Ein künstlerisches Porträt von mir gibt es noch nicht, und ich freue mich auf diese Herausforderung. Natürlich könnte ich auf eines meiner einstudierten „Model-Gesichter“ zurückgreifen, aber genau darum geht es Pawlok ja nicht: Er möchte ja einen ganz persönlichen Moment von uns einfangen, und genau diese Freiheit macht das ganze Projekt auch für mich so spannend.“
Entsprechend aufregend waren die Begegnungen mit allen weiteren Teilnehmern, die an den beiden Shootings in München und Stuttgart teilnahmen: Privatpersonen mit ganz unterschiedlichen Biographien und Lebensentwürfen, deren verbindendes Element der Besitz einer Uhr von Girard-Perregaux ist. Gerade diese nicht kalkulierbare Größe stellte Pawlok, der gewöhnlich mit professionellen Models oder kameraerfahrenen Weltstars wie John Malkovich oder Juliette Binoche zusammenarbeitet, vor eine inspirierende Herausforderung: „Die Zeit der Vorbereitung bei dieser Arbeit war für mich sehr klar greifbar, da wir alle instinktiv in eine ähnliche Richtung gedacht haben. Das Kunsthandwerk Uhrmacherei mit seiner einzigartigen Kulturgeschichte und die Firmenhistorie von Girard-Perregaux, die bis in das Jahr 1791 zurückdatiert werden kann, hat in mir rasch viele Assoziationen geweckt. Ich dachte mir sofort: das muss in Richtung Collage gehen, mit außergewöhnlichen Druckverfahren und Materialien. Bei meinen Recherchen habe ich mich sehr intensiv mit grafischen Werken des Jugendstil und Art Déco beschäftigt – eigentlich das ganze modernistische Werk. Dabei bin ich auf viele Inspirationsquellen gestoßen, die mir vorher noch gar nicht bekannt waren. Und trotz aller Vorbereitung: Wenn man den Personen gegenübersteht, beginnt man an einem Punkt Null, da zählt alles Vorherige nicht. Das Fotografieren beinhaltet viel Technik, genau wie die Uhrmacherkunst. Am Ende aber begegnen sich hier zwei Individuen, und diese Begegnungen sind nie planbar.“
Genau so vielfältig gestalteten sich die einzelnen Fotositzungen im „Auge“ der Kamera: Von nervöser Anspannung bis hin zu extrovertierter Ausgelassenheit – ein jedes Shooting unterschied sich grundsätzlich von den anderen. Dabei zeigte sich, dass das intensive Gespräch zwischen Werner Pawlok und den Porträtierten den Weg zum perfekten Foto bahnte und sich plötzliche Wendungen ergaben, die so nicht vorhersehbar waren. „Natürlich war die Situation für mich eine ganz neue und einzigartige“, so Ludwig Heiss. „Man meint sich ja selbst ganz genau zu kennen und tritt doch irgendwie kontrolliert auf. Ich erzählte Herrn Pawlok aus meinem Leben, auch von meinen Jugendjahren, als elektronische Musik populär wurde und ich in dieser Szene ganz aktiv war. Irgendwie blieben wir bei diesem Thema, und so kamen wir über Bewegung und Dynamik zu diesem ausdrucksvollen Bild.“
Die weitere Verarbeitung erfolgte in aufwändigen Arbeitsschritten im Atelier des Künstlers: Die Drucke wurden in einem komplizierten Verfahren mit Blattgold belegt, wobei unterschiedliche Legierungen je nach Atmosphäre und Ausdruck des Porträts zum Einsatz kamen. Dabei bediente sich Werner Pawlok bei mechanischen und gestalterischen Motiven, die er Uhrenmodellen von Girard-Perregaux entnommen hatte: Die Spiralen, Federn und Zifferblätter stammen teils aus historischen Schätzen, teils aus aktuellen Modellen der Manufaktur und wurden dann mit einem Pinsel unter der Verwendung von Blattgold aufgetragen. „Ich war überwältigt, als ich den gesamten Zyklus das erste mal mit eigenen Augen vor mir sah“, so Luigi Macaluso, Präsident und Inhaber von Girard-Perregaux. „Ich hatte das Gefühl, ganz autarke Kunstwerke vor mir zu sehen, die auf eine Art und Weise ein Ganzes bilden und dabei vollkommen offensichtlich zusammen gehören, was ich mir selbst zunächst gar nicht erklären konnte. Es ist der Kontrast zwischen Vielseitigkeit und gleichzeitiger Einheit, die mich am fertigen Werk so fasziniert – und die mich an all die verschiedenen Charaktere unserer Kunden erinnert, die mir weltweit begegnen.“